Mittwoch, 17. Dezember 2008

Proust Reloaded

Statistisch gesehen verbringt der Mensch ein Drittel seines Lebens im Bett. Reine Zeitverschwendung? Nein! Im Gegenteil. Ich finde man müsste noch mehr Zeit darin verbringen. Zumal, wenn ich heute rausschaue und ein Wetter vorfinde, dass sich nicht entscheiden kann, ob es noch Tag werden will oder schon wieder in die Nacht überzugehen gedenkt. Dann doch lieber gleich im Bett bleiben und dem leuchtendem Vorbild eines Marcel Proust folgen.

Der schrieb nicht nur sein Meisterwerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ (jetzt hier bestellen – Achtung Witz!) komplett im Bette, sondern gestaltete überhaupt sein Leben vom Schlafgemach aus. Mit zugezogenen Gardinen, eigener Dienerin und allem Drum & Dran, was man dazu halt so braucht. Gut, Proust war vermögend und der gemeine Nörgler könnte jetzt nölen „Der konnte sich das auch leisten“, aber auch hier warne ich vor voreiligen geistigen Schnellschüssen. Es gibt doch Internet.

Jeder halbwegs normale Mensch führt sein modernes Business doch längst als Home Office. Warum also nicht den nächsten logischen Schritt in der Evolution gehen und gleich im Bett bleiben? Sehn se. Telefonieren (Call-Center-Agent), Schreiben (Journalist, Sekretärin), Verkaufen (E-Bay), Lehren (Prof. per E-Learning), Interviews geben (Politiker), Meeten (via NetMeeting), nichts, was man nicht vom Bett aus machen kann. Und sogar viel besser.

Nebenbei informieren (TV, Zeitung), gamen und sogar unerkannt soziale Kontakte pflegen (Frau Nachbarin auf der Bettkante oder einfach jemand anderen einbestellen). Wo geht sowas besser als im Bett? Mal ehrlich: alles eine Frage des Wollens und des Organisierens, oder? Und der clevere Marketingmensch macht daraus `ne prima Geschäftsidee. „Bed Office“ zum Beispiel. Demnächst auch als Franchise-System. Seien Sie da ruhig erfinderisch. Holen Sie das Geld, das hier auf der Straße liegt einfach ins heimische Bett und fangen Sie schon mal an zu zählen. Oder kooperieren Sie mit einem Schlaflabor, werden Sie Teil der Wissenschaftsgemeinde. „Im Bett is nett“, so könnte ein inspirierender Fachartikel lauten.

Doch lassen Sie sich mit den Details ruhig Zeit und schlafen Sie mal 'ne Nacht drüber. Im Bett leben, das heißt auch mehr Ruhe, mehr Downshifting, mehr Zeit, mehr Glück, mehr Alles. Und immer daran denken: Die meisten Dinge im Leben sind einfach. Also einfach liegen bleiben. Und an Marcel Proust denken. Ein Drittel des Lebens im Bett, das muss nicht so bleiben. Da geht noch was. So, ich muss jetzt weitermachen. Vom Bett aus. Gute Nacht allerseits.

Note: Leser, die es bis hierhin geschafft haben, interessieren sich bestimmt auch für Herlinde Koelbls Bildband „Schlafzimmer“ oder wählen als Bettlektüre Alain de Bottons „Wie Proust Ihr Leben verändern kann“. Manche folgen auch den Spuren eines Oblomow.

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