Von vielen Dingen weiß man sehr genau, wer es erfunden hat. Gutenberg hat den Buchdruck erfunden, Edison die Glühbirne, die Schweizer die Löcher im Käse, das Bankgeheimnis und Ricola.
Und Dali Uhren, die aussehen, wie zerlaufene Spiegeleier. Beim Hamsterrad allerdings kennt man den Erfinder nicht. Da gibt es dann 2 Möglichkeiten.
Entweder man denkt sich das aus (Fiktion) oder man recherchiert sorgfältig und investigativ (Monitor, Spiegel, Bild) und präsentiert dann der Öffentlichkeit schonungslos und anschaulich Fakten, Fakten, Fakten. Dieser Beitrag folgt der letztgenannten guten Tradition und lehnt jedwedes Spekulieren, Schwadronieren, ja Fabulieren mit einem einfachen "Pfui, das mache ich nicht!" ab. Aus Platzgründen erfolgt hier eine gedrängte, auf das Wesentliche beschränkte Darstellung. Verhandlungen über einen Historienroman (nicht unter 900 Seiten) und eine Verfilmung (mit Armin Müller-Stahl) laufen bereits und stehen kurz vor einem Abschluss. Gemunkelter Arbeitstitel "The Hamsterer". Aber jetzt in medias res: Die Erfindung des Hamsterrades.
Eines Tages (irgendwo muss man ja anfangen) auf einer Farm "in the countryside" ging ein rechtschaffener Farmer seinem Tageswerk nach. Und während er sowohl Dies als auch Das tat (Details siehe Buch Seite 10 bis 200), dachte er so bei sich: "Ach schade, dass es nicht einen Kasten gibt, den ich nach des Tages langer Müh' betrachten kann, vielleicht mit etwas Bewegung darin, zur Erbauung, Entspannung oder Erheiterung meiner Selbst." Denn er hatte keine Frau und Verkupplungsshows waren noch nicht erfunden (Einwurf Papst Marcel: "Aber Shakespeare gab es schon!").
Da erblickte er auf seinem Hof das muntere Treiben des gemeinen Feldhamsters und es gefiel ihm gar sehr. Und dachte sich: "Ja, solch ein fröhliches Wesen soll mir meinen Feierabend den Feieranteil geben (damals hatte Feierabend noch mit Feiern zu tun)." Und er griff sich einen sehr possierlichen kleinen Nager und bettete ihn in eine Kiste, erst aus Holz und dann aus Metallstangen, genannt Käfig, auf dass er etwas sehen konnte. Und er legte Stroh und Essen hinein und schaute nun jeden Abend zu, was seine neue Attraktion so trieb und tat.
Und er war's zufrieden, denn Feierabend, wie er seinen neuen Hausbewohner nannte, machte all die Dinge, die ein Hamster so tut (putzen, rennen, essen, putzen, rennen, essen, Bude bauen und schlafen). Jahrhunderte später wurde daraus ein Fernsehformat entwickelt und nach einem Engländer namens Orwell benannt. Und der Farmer war mit seinem Feierabend zufrieden. Zumindest zunächst.
Denn wie wir spätestens seit Erich Fromms Werk "Haben oder Sein" wissen, macht uns die Waren- und Dingwelt (und der Hamster ist im Rechtssinne ein Ding, s. BGB) ja nicht wirklich glücklich. Doch der Farmer war nicht dazu zu bewegen, in den Seins-Modus überzuwechseln, weshalb er im Haben verhaftet blieb und auf dieser Ebene etwas änderte, so wie man vielleicht ein Fenster öffnet, wenn in der modernen Paarbeziehung mal wieder dicke Luft ist. Denn der Farmer bemerkte, dass sich Feierabend mit der Zeit auf seine faule Hamsterhaut legte und mehr "pennte als rennte", ein inzwischen veralteter Ausdruck. Jedenfalls fehlte das, was selbst Regisseure wie Wim Wenders "Action" nennen. Damit wurde der Feierabend zum schlichten Abend, wie man sagt N'abend und das noch genuschelt. Und der Farmer war nun nicht mehr froh und sann auf Abhilfe. Denn auch der geduldigste Farmer kommt an einen Punkt, wo der Faden reißt, meistens der Beginn einer Aggression oder - wie hier - einer Innovation.
"Warte Bürschchen, warte," sagte er zu sich, denn es war niemand sonst auf dem Hof, "dir werde ich schon noch Beine machen." Was streng genommen natürlich nicht richtig ist, denn Feierabend hatte ja schon Beine, nur benutzte er sie immer weniger oft. Der Farmer jedenfalls machte erst ein Brainstorming mit anschließender Bewertungsmatrix (vereinfachte Form natürlich, Stichworte hier: Stall, Holz, Messer, ritzen) und entwickelte eine kleine Tonne mit Scharnieren, so dass sich diese drehte, wenn man darin lief. Mal nebenbei: Es mag verwundern, warum der an sich ganz pfiffige Farmer seinem Feierabend nicht einen weiteren Hamstergesellen mit in den Käfig gab. Vielleicht einen zum gemeinsamen Trollen & Toben oder einen gegengeschlechtlichen zum munteren Toben & Treiben. Doch hier erfüllte sich die alte Weisheit, die in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts der Liedermacher Mario Hené
so formulierte: "Was Du nicht selbst hast, kannst Du keinem anderen geben." Wie wahr. Vielleicht hatte der Farmer aber auch an die "Variante Weibchen" gedacht, jedoch davon Abstand genommen, weil er aus eigener Feld-, Wald, Wiesen- und Hofforschung wusste, dass dies allenfalls ein Intermezzo sei und nach kurzer Zeit wieder nichts lief am und mit Feierabend. Also "Variante Tonne".
Und das lief auch gut an, der Feierabend. Wie er da zunächst das neue Gerät beäugte, beschnupperte, umlauerte, misstraute und dann doch hinein ging, erste zarte Gehversuche machte, dann schneller wurde, um schließlich im Hamstergalopp durch die Tonne zu fegen, dass es eine wahre Freude war. Und der Farmer jubilierte. Und verfeinerte das Gerät, indem er einzelne Stäbe aus der Tonne löste. Der Hamster trat zwar zunächst daneben, was zu einigen Turbulenzen führte - allerliebst - konnte jedoch schnell umdenken und wer wollte, der sah im gefelligen Hamstergesicht sogar so etwas wie Freude. Der Farmer war im Grunde genommen zufrieden. Auch der Umstand, dass Feierabend nach getaner Tat sein neues Freizeitgerät nagetiergerecht zerlegte, tat der guten Stimmung und dem Pioniergeist des Farmers keinen Abbruch. Denn der Farmer innovierte erneut und ersetzte das Holz durch Metall, mit der Folge, dass sich das Gefährt jetzt noch schneller drehen ließ und Feierabend immer neue Geschwindigkeitsrekorde aufstellte. Der Farmer erlebte jetzt so etwas wie Glück, wollte es mit anderen teilen und lud Kollegen zur Besichtigung ein. Ein FMF, ein Fehler mit Folgen.
Denn die Kollegen taten das, was wir heutzutage aus Einfamilienhaussiedlungen nur allzu gut kennen: Nachmachen. Und so dauerte es nicht lange und fast jeder Farmer im näheren Umkreis verfügte über einen Feldhamster mit Freizeitgerät. Versuche, dass Modell auf Hühner, Schweine und Rindviecher auszudehen, misslangen übrigens. Nicht immer sind Variationen sinnvoll. Aber das nur am Rande. Und so ging das eine Weile und die Zahl der Feldhamster-mit-Freizeitgerät-Besitzer wuchs langsam, aber kontinuierlich. Und wie beim Übergang von der Holztonne zum Metallgerät beschleunigte sich die Verbreitung des Feierabendvergnügens durch eine Innovation, diesmal eine arbeitstechnische, also, um mit Thomas Kuhn zu sprechen, durch einen Paradigmenwechsel. Denn nachdem Henry Ford sein T-Modell entwickelte, dauerte es nicht lange und findige Kaufleute aus der Stadt (damals waren es noch nicht die Chinesen)
kopierten die Idee, nannten das ganze Hamsterrad, tauschten den Feld- durch ein Stubenhamster aus und verkauften das fertige Produkt mit einer fiesen, aber effektiven Methode an die, die sich sowieso nicht wehren können: Eltern mit kleinen Kindern.
Und so trat das Hamsterrad seinen Siegeszug von einer Farm irgendwo da draußen in die Kinderzimmer hier drinnen an und ist trotz Internet noch immer nicht tot zu kriegen. Auch weil das konstante Grundbedürfnis "mit Tieren im Haus spielen, aber nicht soviel Dreck und Kosten machen" hier kongenial befriedigt wird.
Aus der Suche nach einem unterhaltsamen Feierabend wurde eine Freizeitbeschäftigung für die ganze Familie. Eine schöne Entwicklung. Nur dass der Mensch Mensch ist (H. Grönemeyer) lässt ansatzweise verstehen, warum das Rad sich weiter drehte. Denn der Mensch sagte sich: "Was der Hamster kann, dass kann ich auch". Und erfand das Rhönrad. In dem man aber nicht laufen konnte. Und das außerdem jeder sehen konnte. Was ein Nachteil ist, denn nicht immer will der Mensch, dass man sieht, was er tut. Weshalb viele Diebstähle heimlich geschehen und im Schlafzimmer die Tür zu bleibt. Gut so. Und es kam, wie es immer kommt: Das ehemals Materielle wird geistig, also unsichtbar. Schon Ernesto Grassi wies ja darauf hin, dass "begreifen" ursprünglich physisch gemeint war, bevor es zu einem Denkvorgang, also etwas unsichtbaren wurde. So auch hier.
Der Rest ist kurz erzählt. Der Mensch wählte sich Lebensumstände, die ja an allem schuld sind und hier an dem Umstand, dass immer weniger immer mehr schaffen müssen und das tageintagaus. Und alle anderen sich auch treiben lassen von Umständen, worauf es dann dazu kommt, dass alle ihre Anstrengungen erhöhen, um immer mehr von etwas zu bekommen, was eigentlich keiner haben will, um Leuten zu gefallen, die einem gar nicht gefallen. Man merkt schon an der Beschreibung des Vorganges: Wenn der Mensch auf die Bühne des Lebens tritt, dann wird es kompliziert und unbegreiflich. Wovon einige Soziologen ganz gut leben, aber das nur nebenbei. Bringen wir es mal auf den Punkt: Dass ein Hamster in ein Rad steigt und munter und immer schneller darin läuft, das ist so, das ist dem Hamster seine ureigene Natur, wie man im Ruhrpott sagen würde. Dass der Mensch das aber nachmacht und noch zudem ohne sichtbares Rad, das ist - positiv formuliert - ein Faszinosum. Oder Dummheit. Oder dem Mensch seine ureigene Natur? Doch hier laufen wir jetzt auf ein, wie Günther Grass
zu recht schreibt, weites Feld. Und das wollen wir hier nicht beschreiten, sondern vom Feld zurück auf den Hamster kommen. Und sein Rad und dessen Erfindung.
So war das nämlich mit dem Hamsterrad. Anfangs ganz okay und dann, na ja, hab' ich ja kurz erzählt... Was wieder einmal zeigt, dass alles mit allem irgendwie zusammen hängt, wenn man denn weiß, wie die Fäden zu knüpfen sind. Wie hier bei der Erfindung des Hamsterrades.

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