Sonntag, 22. November 2009

win & win

Als ich neulich aus meinem wohlverdientem Urlaub heimkehrte, setzte ich mich am Endes des Tages noch einmal in den Garten, trank ein Glas Rotwein und schaute umher. Etwas war anders. Etwas fehlte. Und tatsächlich. Es fehlte die große Tanne zum Nachbargrundstück. Die so gerne Schatten warf, auch auf das Grundstück des Nachbarn. Den ich sofort in Verdacht hatte.

Ich klingelte, der Nachbar öffnete und gab es sofort und ohne Umschweife zu. Ja, er habe die 4 Meter hohe Tanne samt Wurzel entfernt. Das sei gar nicht so einfach gewesen. Er habe dann den Rasen zudem mit Rollrasen geflickt und gleich auch noch gemäht. Er habe dies, so sagte er, gern getan. Und dabei das geschaffen, was der Amerikaner eine typische Win-win-Situation nenne. Ihn habe die Tanne nämlich wegen des Schattenwurfs gestört. Und er wisse ja gleichzeitig um meine Vorliebe für die japanische Zen-Kultur und da störe ja eine solche viel zu hoch gewachsene Tanne gar sehr. Jetzt könne ich mich wieder ganz ungestört in meinen Garten versenken, meditativ natürlich. Win-win eben. Nein, danken müsse ich ihm nicht. Er wisse ja, dass ich mich eher nach innen freue. Sprach's und schloss die Tür.

Nun, manchmal ist das Leben wie ein "Rolling Stone". Kommt der erste Stein ins Rollen, folgen and're nach.

Ich jedenfalls spannte meinem Nachbarn die Frau aus. Sie zog sogleich bei mir ein. Dem Nachbarn erläuterte ich, dass es sich dabei zweifelsohne um eine typische Win-win-Situation handeln würde. Ich sei jetzt nicht mehr so allein und er könne sich jetzt völlig ungestört und frei von Ablenkungen seinem Restleben widmen. Das habe er immer schon gewollt, bisher leider aber noch nicht gewusst, erläuterte ich ihm gerne auf seine entsprechende Nachfrage. Jetzt habe er dazu viel Zeit. Win-win eben. Nein, sagte ich, dass sei normal, dass die Freude sich nicht spontan einstelle. Ich empfahl ihm Rotwein.

Am nächsten Tag vermisste ich mein Auto. Die Garage stand weit offen und war leer. Der Nachbar erklärte, er habe es für mich verkauft und vom Erlös für sich einen neuen Swimmingpool für seinen Garten in Auftrag gegeben. Eine eindeutige Win-win-Situation, meinte er. Ich könne jetzt endlich mehr zu Fuß gehen und meine Fitness verbessern, was ja dringend nötig sei. Und er könne sein Restleben endlich etwas luxuriöser gestalten. Das sei jetzt ein Ergebnis seines neuen Nachdenkens. Win-win. Ganz typisch. Ich könne ja ab und zu zum Schwimmen vorbei kommen. Wegen der Fitness.

Einen Tag später habe ich meinen Nachbarn umgebracht. Ich habe es wie Selbstmord aussehen lassen und so eine dreifache Win-win-Situation, also eine Win-win-win-Situation geschaffen. Ein win geht an die Polizei, die bei Selbstmord nur ein Formular ausfüllen muss. Das zweite win geht an den Nachbarn. Er hatte sich Zeit seines Lebens dafür interessiert, ob es ein Leben nach dem Tode gibt. Jetzt weiß er es. Beneidenswert. Und das letzte win geht an mich. Wegen der Lebensversicherungssumme, die seine Frau ausgezahlt bekam. Wir kauften das Nachbargrundstück dazu und genießen jetzt den neuen Swimmingpool. Win-win-win.

Und die Moral von der Geschicht'? Die gibt es leider nicht. Win-win. Ich muss keine suchen und Sie sich keine weiteren Gedanken machen.

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